Der Brückenschlag als Stadtutopie: LIFT-Artikel aus dem November 2019

Im November 2019 stellte das Stuttgartmagazin LIFT auf einer Doppelseite Utopien für den Kessel vor, die Wirklichkeit werden könnten - im Fokus stand dabei vor allem die Umwidmung der Rosensteinbrücke. HIER gibt es den ganzen Artikel mit der verspielt-schönen Brückenillustration von der Stuttgarter Illustratorin Paulina Eichhorn als PDF.

Über die Rosensteinbrücke heißt es darin:

"Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen? Man kann aber auch auf das Helmut Schmidt-Zitat pfeifen und so lange beharrlich bleiben, bis man auch den letzten von seiner Vision überzeugt hat. So wie Peter Mielert zum Beispiel. Schon 1998 hatte der Architekt und Bezirksbeirat in Bad Cannstatt die Idee, die Rosensteinbrücke über dem Neckar zu einem Park umzufunktionieren. Die wird jetzt nach der Fertigstellung von S21 und der Inbetriebnahme der neu gebauten Eisenbahnbrücke tatsächlich nutzlos – und könnte von der Bahn abgerissen werden. Für Mielert eine vertane Chance, zumal der geplante Steg für Fußgänger und Radfahrer unter der neuen Brücke keine Alternative ist: „Ein 4,5 Meter breiter Steg, über dem Züge fahren, bietet keinerlei Aufenthaltsqualität“, sagt Mielert.

Sein Vorschlag: Die Stadt kauft der Bahn die Rosensteinbrücke ab und ermöglicht so nicht nur eine Verbindung zwischen dem Schlossgarten und Bad Cannstatt, sondern auch einen Ort zum Verweilen über dem Fluss – mit einer Länge von 320 Metern und 16 Metern Breite böte die Brücke die einmalige Gelegenheit, einen besonderen Ort für Stuttgart zu schaffen.

Lange stieß Mielert mit seiner Idee auf Skepsis. Erst 2014 kam wieder Bewegung in die Sache, als der Ingenieur Frank Schächner, dessen Büro die neue Eisenbahntrasse plant, dieselbe Idee hatte und die „Initiative Rosensteinbrücke“ ins Leben rief. Als Vorbild für ihre Vision nennen beide die „High Line“ in New York – auch hier wurde eine alte Güterbrücke zu einem beliebten öffentlichen Ort umfunktioniert. „Man spürt mitten in der lauten Stadt die Ruhe, es ist wirklich ein Knaller“, schwärmt Schächner.

Die Rosensteinbrücke könnte ihr Vorbild aber sogar übertreffen. Ideen für eine zukünftige Nutzung gibt es viele – neben der Begrünung ist von Gastronomie, wie etwa einem Stadtstrand oder einer Bar in einem Eisenbahnwaggon, einem Spielplatz, einer Skateranlage oder sogar einem Basketballplatz alles denkbar. Das gilt auch für einen Zugang zum Neckar: „Wenn man den Bogen öffnet und Treppen baut, könnte man direkt ans Wasser“, so Schächner. Theoretisch sei es sogar möglich, einen an der Mittelinsel festgemachten „schwimmenden Pool“ in den Neckar zu bauen, wie es beispielsweise in Berlin realisiert wurde.

Eine Chance bieten auch die beiden in Zukunft ungenutzten Tunnel hinter der Brücke. In einem können sich die Vordenker eine gastronomische oder kulturelle Nutzung vorstellen – etwa eine Neuauflage der „Röhre“. Der zweite würde sich dagegen ideal für einen Radschnellweg geradewegs zum Hauptbahnhof anbieten, angefangen beim Cannstatter Bahnhof.

Klingt nach Utopie? Tatsächlich ist der Abriss der Brücke – so zumindest das Ergebnis einer Stuttgarter Masterarbeit – teurer als ihr Erhalt. Dank ihres guten Zustands würde der Umbau nur wenige Millionen Euro kosten. Stattdessen kann die Bahn die Brücke aber auch einfach absperren und die Tunnel zumauern. Zum Abriss sei sie nicht verpflichtet, so Ingenieur Schächner.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Baubürgermeister Peter Pätzold sind von der Vision durchaus angetan. Auch beim Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Neckarknies war der Brückenerhalt in sieben von zehn Vorschlägen vorgesehen, wenn auch nicht im Siegerentwurf enthalten. Im Gemeinderat war die Rosensteinbrücke bislang jedoch kein großes Thema.

Das soll sich nun ändern: Einer, der besonders für die Idee brennt, ist Thorsten Puttenat von der Fraktionsgemeinschaft PULS. „Das wäre ein liegender Leuchtturm für Stuttgart, ein echtes Wow-Ding für alle, die die Stadt besuchen“, glaubt der Stadtrat von den Stadtisten und sucht deshalb das Gespräch mit allen Fraktionen des Gemeinderats. Bei den Grünen rennt Puttenat damit offene Türen ein: „Wir sind schon seit Langem dafür. Bislang gab es aufgrund der Skepsis bei SPD, CDU und Freien Wählern keine Mehrheit im Gemeinderat“, sagt Stadtrat Björn Peterhoff. Seit der Wahl seien die Karten aber neu ge-mischt. „Jetzt werde ich alles dafür tun, um eine Mehrheit zu finden“, verspricht er. Immerhin: Eine Machbarkeitsstudie hat die Stadt bereits in Auftrag gegeben. […]"