Ein Brückenschlag zu… Peter Mielert

Im Sommer 2022 ging unsere Kampagne zum "Brückenschlag Stuttgart" an den Start – die Idee, die alte Rosensteinbrücke in einen öffentlichen Ort zu verwandeln, ist allerdings viel älter. Schon seit mehr als 20 Jahren wirbt der ehemalige grüne Bezirksbeirat Peter Mielert aus Bad Cannstatt für seine Vision vom Park über dem Neckar – und konnte in vielen Gesprächen auch Deborah Köngeter und Thorsten Puttenat von der Wählergruppe Die Stadtisten dafür begeistern. Als Teil der Fraktionsgemeinschaft PULS münzten sie Mielerts Idee in einen Antrag im Stuttgarter Gemeinderat. In unserem Porträt erzählt der Bad Cannstatter von seinem langjährigen Engagement für den Erhalt der Brücke – und was er selbst sich für die Rosensteinbrücke wünscht:

Man kann nicht über den Brückenschlag sprechen, ohne über Peter Mielert zu sprechen. Niemand setzt sich länger für den Erhalt und die Umnutzung der Rosensteinbrücke ein als der Bad Cannstatter, der sich bis zu seinem Ausscheiden im Frühjahr 2022 ganze 42 Jahre für die Grünen im Bezirksbeirat engagierte. Mehr als die Hälfte davon trieb ihn die Idee vom Park über den Neckar um. “Ich bin an dem Thema bereits seit 1998 dran und habe im Bezirksbeirat seither immer darauf geachtet, dass die Brücke bei den Planungen nie rausflog”, sagt Mielert. Auch nach seinem Abschied aus der aktiven Politik sorgt er weiter dafür, dass die denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke im Gespräch bleibt - etwa als Mitglied der “Arbeitsgruppe Neckar” für die IBA ’27, wo er seine Ideen für deren Umnutzung nach der Stilllegung im Jahr 2025 immer wieder aufs Neue vorstellt. Und zwar mit ungebrochener Leidenschaft.

Selbstverständlich ist das nicht. Zwar gibt es in der Stuttgarter Kommunalpolitik allen Unkenrufen zum Trotz viele Menschen, die für ihre Themen brennen. Einen so langen Atem wie Peter Mielert beweisen allerdings die wenigsten. Trotz der vielen tauben Ohren, auf die er in all den Jahren stieß, blieb der Architekt seinem Herzensthema treu. Kein Wunder also, dass der erste Blick, wenn man sein Haus betritt, auf eine Visualiserung der umgenutzten Eisenbahnbrücke fällt. “Rosenstein-Line – ein Highlight der IBA?” heißt es auf dem Plakat im Hausflur. Ein Stockwerk höher liegen bereits ganze Aktenordner bereit, die nicht nur Mielerts jahrzehntelanges Engagement für den Erhalt der Brücke dokumentieren, sondern auch dessen Hartnäckigkeit.

Ein ganz besonderer Ort für Stuttgart

“Die Stadt hat immer wieder Pläne vorgelegt, in denen die alte Brücke keine Rolle spielte”, erinnert sich der langjährige Bezirksbeirat. Auch im Wettbewerb für die Neugestaltung des Neckarknies sei sie zunächst nicht vorgesehen gewesen – bis er darauf bestanden habe. “Sieben der zehn beteiligten Büros haben die Rosensteinbrücke daraufhin als grüne Verbindung über den Neckar in ihre Entwürfe integriert.” Darunter auch das Büro “Schlaich Bergermann Partner”, das bereits mit der Planung für die neue Neckarbrücke beauftragt war – und mit dem damaligen Studenten Frank Schächner jemanden beschäftigte, der bei seiner Bestandsaufnahme der benachbarten Rosensteinbrücke zu demselben Schluss kam wie dereinst Mielert: dass hier ein ganz besonderer Ort für Stuttgart entstehen könnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Ingenieur Schächner und der Architekt Mielert zusammenfanden, um sich gemeinsam für diese Vision stark zu machen. Es folgten eine Website samt Visualisierung der Brücke, ein animiertes YouTube-Video, eine Facebook-Seite – und eine Menge positiver Resonanz. Nur in der Politik bewegte sich weiterhin: nichts.

Auch in seiner eigenen Partei musste der Bezirksbeirat zunächst Überzeugungsarbeit leisten: “Selbst die Grünen dachten, der Abriss der Brücke sei mit S21 längst beschlossen”, erinnert sich Mielert, der daraufhin hunderte Seiten des Planfeststellungsbeschlusses wälzen musste, ehe er darin irgendwann auf die alles entscheidende Zeile stieß: "Die Zukunft der Brücke wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden." Frank Schächner hatte dagegen Zugriff auf bahninterne Unterlagen, die der Rosensteinbrücke einen technisch guten Zustand bescheinigten. Also blieben die Beiden am Ball, zum Beispiel, indem sie dafür sorgten, dass an einem Universiätsinstitut eine Masterarbeit über die Kosten eines Erhalts der Rosensteinbrücke ausgeschrieben wurde – mit dem Ergebnis, dass deren Abriss ungefähr dasselbe kosten würde. Für Unterhalt und Einnahmen könnten – ähnlich wie bei der High Line in New York – Sponsoren wie Bosch oder Daimler sorgen, schlägt Mielert vor.

Auch die ehemalige Güterbrücke in der US-Metropole wurde auf Initiative einiger weniger Begeisterter zu einem beliebten öffentlichen Ort umfunktioniert. Sofort hat Mielert einen hochwertigen Bildband zur Hand, der die Entstehungsgeschichte der High Line dokumentiert – das Geschenk eines guten Freundes. Anders als Mielert selbst hat sein Mitstreiter Frank Schächner der High Line bereits einen Besuch abgestattet: “Man spürt mitten in der lauten Stadt die Ruhe, es ist wirklich der Knaller”, schwärmte dieser später in einem Interview mit dem Stuttgartmagazin LIFT. Mit mindestens derselben Begeisterung zeigt Peter Mielert Fotos von seinem Spaziergang auf der Promenade plantée – einem Wanderweg in Paris, der ebenfalls auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse angelegt wurde (Fotos unten: Deborah Köngeter). “Der Weg ist mit angepflanzten Gräsern, Bäumen und viel Verschattung richtig schön gemacht, auch die Tunnel wurden toll integriert – so ähnlich könnte ich mir das auch in Stuttgart vorstellen”, sagt Mielert und zeigt dann auf einer Karte, wie sich das grüne U im Kessel dank der Brücke zu einem grünen X erweitern ließe.

   

Fokus auf Aufenthaltsqualität

Der Fokus von Peter Mielerts und Frank Schächners Vision für die zukünftige Rosensteinbrücke liegt dabei ganz klar auf Aufenthaltsqualität: Sie wünschen sich hier möglichst viel Grünfläche mit Sitzgelegenheiten, Spielgeräten und Tischtennisplatten, gerne auch Eisenbahnwaggons als Reminiszenz an die Geschichte der Brücke, die ein Café und ein Spielmobil beherbergen könnten. “Wir könnten auch eine Schiene stehen- und auf ihr eine solarbetriebe Draisine fahrenlassen”, schlägt Mielert vor. Denkbar sei es sogar, diese Trasse vom Bahnhof in Bad Cannstatt über die Brücke und den Tunnel direkt ins neue Rostensteinviertel weiterzuführen. Eines kann sich Mielert im Gegensatz zum ADFC auf der Rosensteinbrücke allerdings nicht vorstellen: einen Radschnellweg. “Was wir hier brauchen, ist ein fußgängerverträglicher Radverkehr als Mischfläche, ähnlich wie in der Fußgängerzone vor der Markthalle”, so der Architekt. Als geeigneteren Standort für einen Radschnellweg sieht er dagegen den Steg unter der neuen Neckarbrücke: “Es stellt sich schon jetzt heraus, dass die Mischung aus Fuß- und Radverkehr dort problematisch ist. Die Breite ist perfekt für einen Radschnellweg geeignet und man sollte prüfen, ob dieser durch den alten Eisenbahntunnel im Anschluss noch um 300 Meter verlängert werden könnte.”

Dass die Fraktionsgemeinschaft PULS und daraufhin auch die Grünen den Erhalt und die Umnutzung der Rosensteinbrücke im Gemeinderat beantragt haben, lässt Peter Mielert jedenfalls hoffen, dass sich sein jahrzehntelanges Engagement nun endlich auszahlt – und er vielleicht sogar schon zur IBA ’27 selbst auf der Rosensteinbrücke flanieren darf. “Erst muss die Stadt natürlich beschließen, dass sie die Brücke übernimmt”, sagt er und skizziert daraufhin einen möglichen Zeitplan. “Nach Stand der Dinge geht S21 im Jahr 2025 in Betrieb. Bis zur IBA könnte man also provisorisch zwei Gleise abdecken und Waggons aufstellen, in denen IBA-Projekte vorgestellt und Getränke verkauft werden, vielleicht könnten die Menschen dann auch schon zur Neckarinsel runter.”

Natürlich weiß niemand besser als Peter Mielert, welche Hürden seine Vision noch nehmen müsste, um eines Tages Wirklichkeit zu werden – darunter noch bislang ungelöste Probleme wie die geplante Schleusenverlängerung. Nach mehr als zwanzig Jahren Überzeugungsarbeit bringt das einen wie ihn aber nicht mehr aus der Ruhe. Peter Mielert ist keiner, der aufgibt – auch nicht seinen Humor: “Eines Tages werde ich noch zu einem Penner, der unter der Brücke schläft, damit sie nicht abgerissen wird”, grinst der Bad Canstatter zum Abschluss – und fast traut man ihm zu, dass er das nur halb im Scherz meinte.